Zeitzeugen der NS-Diktatur zu Besuch in der 9. Klasse

Am 15.06.2018 waren zwei Mitglieder der Zeitzeugenbörse – Frau Eva Timm und Herr Horst Heckmann - im Rahmen des Geschichtsunterrichts von Frau Dr. Schulte in unserer Klasse zu Besuch in der Luisenschule, um über ihre Kindheit während des Nationalsozialismus zu berichten, ein Thema, welches wir in den letzten Monaten intensiv und sehr interessiert behandelt haben.

Eva Timm wurde 1926 in Berlin geboren und wuchs dort mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater auf. Ihr älterer Bruder war bereits Soldat. Sie besuchte eine Volksschule und trat im Alter von 10 Jahren dem BdM (Bund deutscher Mädel) bei, obwohl ihre Mutter Hitler kritisch gegenüber stand. Sie berichtete, dass in ihrer Schulklasse auch Mitschülerinnen jüdischen Glaubens waren, die dann plötzlich nicht mehr zum Unterricht erschienen. Niemand in der Schule fragte nach den Gründen, auch wurden keine Erklärungen für das Verschwinden dieser Mädchen abgegeben. Von der Existenz der Konzentrationslager hätten die meisten gewusst – oder zumindest etwas geahnt – aber – nach Aussage von Frau Timm – wusste niemand etwas Genaues über die Vorgänge in den Lagern. Allgemein wurde angenommen, dass die Insassen dort lernen müssten zu arbeiten. Frau Timm war keine überzeugte Nationalsozialistin, gibt aber zu, dass sie „mitgezogen“ wurde.

Während des Zweiten Weltkrieges ab Herbst 1943 – berichtet Frau Timm – gab es fast jede Nacht Bombenalarm, so dass sie mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater in einen Bunker flüchten musste. Bei einem Bombenangriff wurde die Wohnung der Familie komplett zerstört und ihnen wurden Zimmer bei anderen Familien in Berlin zur Verfügung gestellt.

Besonders berührt hat uns alle, als Frau Timm von ihren Freund Hansi Frost erzählte, ein Kind aus der Nachbarschaft, mit dem sie nahezu jeden Tag nach der Schule zusammen war. Hansis Eltern waren Juden und besaßen ein kleines Geschäft, in dem Frau Timm immer Zigaretten für ihre Eltern besorgen musste. Eines Tages war das Geschäft geplündert und die Frosts waren deportiert. Frau Timm recherchierte später, was mit den Frosts geschehen ist und hat erfahren, dass sie im KZ umgebracht worden sind und nun aber in Berlin ein Stolperstein an ihren Hansi erinnere. Das Foto von diesem Stolperstein hat Frau Timm uns allen gezeigt. Diese traurige Erzählung sorgte für absolute Stille und bei einigen auch für Tränen.

Der zweite Zeitzeuge Herr Heckmann wurde 1928 in Mülheim geboren, und besuchte dort eine Volksschule. Bereits im Alter von 10 Jahren trat er der HJ (Hitlerjugend) als Pimpf bei, obwohl auch seine Mutter – bedingt durch ihre christliche Prägung – die Nationalsozialisten ablehnte. Aber Heckmann gibt zu, dass er genau, wie seine Kameraden stolz darauf war, 1938 Mitglied des Jungvolks der Hitlerjugend zu werden. Besonders reizte ihn daran, dass viel Sport getrieben wurde, die Jungen eine Uniform tragen und mit einem Luftgewehr schießen durften. Seine Mutter allerdings sorgte dafür, dass er neben der HJ auch zum CVJM gehen musste, dies war gar nicht im Sinne der nationalsozialistischen Erziehung, wie Hitler sie sich vorstellte.

Als 1939 der Krieg ausbrach wurde Heckmann – wie seine Altersgenossen – zu Arbeitsdiensten verpflichtet. Da die Luftangriffe aufs Ruhrgebiet bereits ab März 1942 begannen, die vor allem die Industriestädte an Rhein und Ruhr, Köln, Düsseldorf, Duisburg und insbesondere Essen treffen sollten, waren die flächendeckenden Bombardements im Vergleich zu Berlin schon ein halbes Jahr vorher zu ertragen. Herr Heckmann berichtete dann ausführlich von dem schweren Luftangriff auf Mülheim in der Nacht vom 22. auf den 23.06.1943, er berichtete, wie er zusammen mit seinen Klassenkameraden nach dem Luftangriff verwundete Patienten aus dem von Bomben getroffenen St. Marien-Hospital auf den Wiesen des Alten Friedhofes an der Dimbeck lagern oder Brandbombenreste mit einer Schippe aus getroffenen Häusern auf die Straße werfen mussten.

Beide Zeitzeugen erinnerten sich auch noch sehr genau an besondere Ereignisse, so z.B. den Fackelzug, mit dem Hitlers Anhänger in Mülheim genau wie in Berlin 1933 den neuen Reichskanzler feierten oder auch an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938, als Synagogen brannten und jüdische Geschäfte und Wohnungen geplündert und zerstört wurden. Der damals zehnjährige Herr Heckmann konnte nicht verstehen, "warum die Feuerwehr vor der schönen jüdischen Kirche am Viktoriaplatz stand und deren Brand nicht löschte, sondern nur die umliegenden Häuser rettete."

Im Anschluss an ihre persönlichen Erlebnisberichte betonen beide Zeitzeugen, wie wichtig es sei, sich mit Geschichte aktiv auseinanderzusetzen und sich umfassend politisch zu informieren, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Die Vermittlung von den Geschehnissen während des Dritten Reichs im Geschichtsunterricht sei wichtig, damit sich diese Dinge niemals wiederholen können.

Insgesamt sind die drei Stunden wie im Flug vergangen, wir haben Geschichte hautnah, spannend und berührend erlebt. Für uns war es ein besonderes Erlebnis und all unsere Fragen wurden beantwortet.

Eure Klasse 9c

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